Fachtag: Starke Teams – Inklusion braucht Kommunikation (Realitäten und Möglichkeiten)

Am 17. 03. 2017 hat der Fachtag an der Universität Kassel und der Oskar von Miller-Schule Kassel stattgefunden.

Auf Initiative des vds wurde der Fachtag in Kooperation mit dem Grundschulverband GSV, der deutschen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik- Landesgruppe Hessen dgs, dem Berufsverband deutscher Hörgeschädigtenpädagogen DBH, dem Interessenverband Hessischer Schulleiterinnen und Schulleiter IHS und dem Zentrum für Lehrerausbildung PRONET der Universität Kassel durchgeführt.

 

In ihrem Grußwort stellte Frau Prof. Barbara Koch vom Lehrstuhl Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Schul- und Unterrichtsentwicklung von der Universität Kassel fest, dass die empirische Forschung wichtige Erkenntnisse zur Schulpädagogik und Schulentwicklung erbracht hätten, diese jedoch kaum konkrete Handlungsanweisungen für die konkrete, komplexe pädagogische Praxis lieferten. Dazu bedürfe es einer Entwicklungsforschung in Kooperation von Universität und Schule, von Wissenschaftlern, der Schuladministration und Schulpraktikern in vielfältigen Schulsettings.

Herr MinR Bognar vom HKM betonte in seinem Grußwort, dass Inklusion ein steter Prozess sei, der notwendig folgende Stadien umfasse, der von jedem der Beteiligten durchlaufen werden müsse:

  1. a) Wahrnehmen und Annehmen des Themas Inklusion und der UN-BRK,
  2. b) sachliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Inklusion,
  3. c) Kommunikation, Beratung und Kooperation mit unterschiedlichen Akteuren wie Schülern, Kollegen, Schulbegleitern, BFZ-Lehrkräften, Therapeuten, Eltern etc. zur Klärung und Umsetzung der Frage: Wie können die Herausforderungen gelöst werden?

Jedes einzelne Kind muss in den Blick genommen werden.

Herr Bognar berichtete weiter, dass in den vergangenen sechs Jahren das HKM jährlich zusätzlich100 Förderschullehrer für den Inklusiven Unterricht bereitgestellt habe. Im diesem Schuljahr 2016/17 seien erstmalig mehr Förderschullehrkräfte in der Inklusion als in den Förderschulen tätig.

 

Strategische Ziele des HKM seien a) Ablehnung von Inklusion vermeiden,

  1. b) Förderschullehrkräfte mit einem geleiteten sonderpädagogischen Unterstützungsweg durch die BFZ möglichst verlässlich an die allgemeine Schulen zu verorten,
  2. c) Priorisierung Fortbildung in Inklusion

 

Prof. Dr. Dieter Katzenbach (Universität Frankfurt) beleuchtete in seinem Vortag „Inklusive Bildung – Lehrkräfte im Spannungsfeld zwischen Anwaltschaft für das Kind und Vertretung des Systems.“ die Situation und Rollenvielfalt der Akteure im Schulsystem sowie die damit einhergehenden zum Teil widersprüchlichen Herausforderungen.

Ausgehend vom Behindertenbegriff der WHO, der zwischen individueller Entwicklungsstörung und sozialer Behinderung, mit gesellschaftlicher Teilhabebeschränkung differenziert, leitete Prof. Katzenbach für eine inklusive Bildung die Notwendigkeit der Anerkennung individueller Unterschiede ab (Egalitäre Differenz).

 

Wie in jedem guten Unterricht müssen auch in der Inklusion die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden. Die neue Herausforderung bestehe darin, die besonderen Entwicklungsbedingungen einzelner Schülerinnen und Schüler zu erkennen und bei der Lernorganisation zu berücksichtigen.

Förderpädagogen haben professionell einen spezifischen Blick auf das einzelne Kind.

Die Expertise der Förderpädagogik bestehe darin, die besondere Entwicklungssituation und -anforderung des einzelnen Lerners zu erkennen, zu diagnostizieren und ggf. unter Beachtung eines Nachteilsausgleichs zu beschreiben.

Diese förderpädagogische Expertise ermöglicht in Kooperation mit der Lehrkraft die Ermittlung bestimmter Passungsverhältnisse für den Unterricht, z.B. didaktisch-methodische Differenzierung bei der Unterrichtsorganisation, Organisation bestimmter Hilfsmittel oder Unterrichtsbegleiter  usw.

Die Kooperation unter den Lehrkräften ist ein eigener Entwicklungsprozess, der vom Austausch der Kollegen untereinander, über die gemeinsame Arbeitsplanung und Organisation hin zu einer kokonstruktiven geteilten Ziel- und Prozessorganisation führt.

 

An Nachmittag informierten sich die über 250 Teilnehmerinnen in 20 Workshops zu 12 Themenstellungen und diskutierten die verschiedenen Fragestellungen hinsichtlich der Bedeutung für die Umsetzung inklusiven Unterrichts. Die Themen reichten von „Gelingende Kooperation und Team-Teaching in inklusiven Bildungsprozessen, Teamarbeit im Unterricht, Zusammenarbeit mit Teilhabeassistenzen, Sprachsensibler Unterricht, Anforderungen im Anfangsunterricht, Kooperation Sek I und BFZ, Übergänge von der IGS zur Berufsschule, Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit AVWS und „CVI“ – Cortical visual impairment“

 

Die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen zeigen, dass der Fachtag als ausgesprochen sinnvoll und bereichernd erlebt wurde.

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer/innen formulierten Wünsche und Forderungen zur Verbesserung der Umsetzung inklusiven Unterrichts. Die Forderungen reichen von der

  • Bereitstellung von Kooperationsstunden zur Beratung, Koordination und Kooperation der Lehrkräfte der allgemeinen Schule und der BFZ sowie mit den Akteuren der und Beratung der Lehrkräfte der Allgemeinen Schule und der Förderpädagogen des BFZ,
  • Aufklärung über die Organisation, Inhalte und Kooperationsmöglichen mit dem r-BFZ und ü-BFZ
  • gemeinsamen Fortbildung von Lehrkräften der aller Schulformen und der BFZ zur Umsetzung der Inklusion zur Teambildung, zur didaktisch-methodischen U-Planung, zur kooperativen Fallberatung, zur fachdidaktischen und methodischen inklusiven Unterrichtsorganisation, zu Behinderungsspezifischen Fragestellungen wie AVWS und CVI …
  • Aufnahme verpflichtender Inhalte zur Inklusion in der Lehrerausbildung, …
  • Veränderung der Ausbildungsinhalte und Strukturen in der zweiten Ausbildungsphase, …
  • Anbindung der Förderschullehrkräfte an die BFZ mit einer zuverlässigen Zuordnung an die allgemeine Schule usw. …
  • Gleichstellung von IB und VM für die SchülerInnen mit spezifischen Störungen im Bereich Hören, Sprache, emotionale und soziale, und körperlich motorische Entwicklung …

Die vielfältigen Anregungen und Forderungen werden in einem Schreiben als Ergebnis des Fachtages an die Entscheidungsträger der Politik, im HKM und der Schulträger weitergeleitet.

Auf die Rückmeldungen dürfen wir gespannt sein.

 

Inge Holler-Zittlau (Vorsitzende vds LV-Hessen)

Juni 7, 2017